Der Kanton Zürich steckt bekanntlich mitten in einer gröberen Sparrunde. Auslöser ist der mittelfristige Haushaltsausgleich. Er verlangt, dass über acht Jahr hinweg der Saldo der Erfolgsrechnungen ausgeglichen sein muss; massgeblich sind jeweils die letzten drei Rechnungsjahre, das laufende Jahr und die folgenden vier Planjahre. Für die Jahre 2013 bis 2020 hat die Regierung 2016 einen Fehlbetrag von 1.8 Mia berechnet und ein hartes Abbau- und Sanierungspaket vorgelegt.
Der Haushaltsausgleich ist eine klassisch bürgerliche Fehlkonstruktion. Dass auch beim Staat Einnahmen und Ausgaben über eine längere Periode hinweg im Lot sein sollten, ist zwar durchaus richtig; weil aber nicht weniger als fünf zukünftige Jahre mitgerechnet werden, ergibt sich eine systematische Verfälschung: Praktisch ausnahmslos sind die Prognosen nämlich viel zu pessimistisch – die Einnahmen werden regelmässig zu tief, die Ausgaben Jahr für Jahr zu hoch angenommen. Der vor kurzem publizierte Abschluss für das Jahr 2016 belegt es augenfällig: Statt mit 69 Millionen Defizit schliesst die Zürcher Staatsrechnung mit nicht weniger als 390 Millionen im Plus ab. Die Differenz zwischen Budget und Rechnung entlastet den mittelfristigen Haushaltsanteil um mehr als 450 Millionen – unsere grundsätzliche Kritik am Sparpaket war und ist mehr als gerechtfertigt.
Das Abbauprogramm Lü16 der Zürcher Regierung sieht neben rund 80 einzelnen Sparmassnahmen auch einige wenige Mehreinnahmen vor. Den Sparmassnahmen im Bildungs- und Gesundheitsbereich und beim öffentlichen Verkehr haben die vereinigten bürgerlichen Mehrheitsparteien bisher mit fast schon sadistischer Begeisterung zugestimmt.
Bei den Mehreinnahmen werden jetzt plötzlich ganz andere Töne angeschlagen. Die Regierung möchte die Pendlerabzüge bei 3000 Franken begrenzen und so für Kanton und Gemeinden jährlich fast 100 Millionen höhere Steuererträge generieren. Der Aufschrei der Autolobby im Rat, an vorderster Front die vereinigte SVP-Fraktion, war ohrenbetäubend. Eine Mehrheit für die Erhöhung der Abzugsgrenze auf 5000 Franken kam aber erst durch einen üblen Deal mit der FDP zustande: Die Freisinnigen haben sich den Kampf gegen die «Lex Hirslanden» auf die Fahne geschrieben; sie will Privatspitäler mit einer Abgabe auf ihren hohen Gewinnen zu belasten, so lange sie praktisch nur privat versicherte Patienten behandeln. Der bürgerliche Handel, sieht nun vor, die Spitalabgabe zu versenken und den Pendlerabzug zu erhöhen. Beides zusammen wird Kanton und Gemeinden pro Jahr rund 100 Millionen kosten.
Merke: Wenn es um die Interessen der eigenen Klientel – die AutopendlerInnen und SteueroptimiererInnen oder die Gewinne der Privatspitäler und hohen Chefarzthonorare – geht, spielt die Sanierung der Staatsfinanzen ganz plötzlich keine Rolle mehr. Bürgerliche Sparpolitik hat meist nur vordergründig die Sanierung der Staatsfinanzen zum Ziel; der eigentliche Zweck aber ist praktisch immer die Umverteilung von unten nach oben.
Markus Späth, Zürcher Kantonsrat, SP-Fraktionspräsident, Feuerthalen