Mit Haken und Ösen: Der Soziallastenausgleich zwischen den Gemeinden noch nicht (ganz) in trockenen Tüchern

Kantonsratskolumne zur Sitzung vom 9. 9. 2019 von Markus Späth-Walter, Kantonsrat, SP-Fraktionspräsident, Feuerthalen

Bis vor einer Woche schien alles klar: Der von meiner Fraktionskollegin Rosmarie Joss (Dietikon) vorgeschlagene fairere Finanzierung der Sozialkosten, schien auf guten Kurs. Die Mehrheit der zuständigen Kommission wollte jene Gemeinden entlasten, welche die hohen Sozialkosten kaum mehr allein stemmen können. Sie schlug dem Rat mit klarer Mehrheit vor, das Gesetz über die Zusatzleistungen (im Volksmund Ergänzungsleistungen/EL genannt) so zu ändern, dass künftig der Kanton einen deutlich grösseren Kostenanteil übernehmen soll. Aktuell berappt der Kanton nur gerade 44%. Mit der Zustimmung zur Steuervorlage 19 (SV 19), die vom Volk vor neun Tagen beschlossen wurde, wird der Kantonsanteil in ein oder zwei Jahren auf 50% steigen; der Kommissionsantrag, über den gestern debattiert wurde, sieht einen Anstieg auf 70% vor.

Die Mehrheitsverhältnisse schienen klar. SP, FDP und bürgerliche Mitte waren für den Kommissionsvorschlag. Die SVP stellte den Antrag, gar nicht auf die Vorlage einzutreten und auf einen besseren Soziallastenausgleich ganz zu verzichten. Die Grünen, unterstützt von der AL wollte zwar einen Ausgleich, er sollte aber durch den Kanton, sondern durch alle Gemeinden solidarisch finanziert werden. Nach dem absehbaren Scheitern des Nicht-Eintretensantrags wäre es dann zu einer Ausmarchung zwischen Grün und Kommissionsmehrheit gekommen.

Nach dem Abstimmungssonntag über die SV19 kam dann aber plötzlich Hektik auf. Die SVP zog ihren Antrag auf Nicht-Eintreten zurück. Statt dessen reichte sie in letzter Minute einen neuen Vorschlag ein: Der Kantonsanteil soll zwar steigen, aber nur im Gleichschritt mit der Senkung der Gewinnsteuern für die Unternehmen: Bei einem Gewinnsteuersatz von 7% (wie vom Volk anfangs September beschlossen) würde der Kanton 60% der Zusatzleistungen finanzieren, bei einer weiteren Senkung – seit langem das Ziel der beiden grossen bürgerlichen Parteien – auf 6% könnte er nochmals erhöht werden auf dann 70%. Damit standen sich plötzlich drei Anträge gegenüber: Kommissionsantrag (70%), SVP (60%/70%) und Grüne/AL (Solidarische Finanzierung durch alle Gemeinden).

Bei drei gleichwertigen Anträgen entscheidet der Kantonsrat üblicherweise im Cupverfahren: In einer ersten Runde entscheiden sich alle KantonsrätInnen für eine der drei Varianten. In einer zweiten Runde stehen sich die zwei Anträge gegenüber, die in der ersten Abstimmung am wenigsten Stimmen erreicht haben. Die abschliessende dritte Runde ermittelt dann das Endergebnis zwischen den Siegern der ersten und der zweiten Runde. Das Verfahren ist nicht gerade beliebt im Rat, weil es ziemlich viel Spielraum für taktisches Abstimmen öffnet.

Die Grünen zogen deshalb während der Debatte ihren eigenen Antrag zurück. In der Abstimmung war deshalb nur noch zwischen SVP- und Kommissionsantrag zu entscheiden. Nach intensiver Debatte setzte sich der Vorschlag der Kommission klar durch. In vier Wochen hat deshalb die deutliche Erhöhung in der zweiten Lesung gute Chancen. Damit könnte gelingen, was bis vor kurzem noch utopisch schien. Gemeinden, die mehr als ein Viertel ihres Gesamtaufwandes für Soziales benötigen, werden entlastet, ohne dass die reichen Kommunen deshalb über den Finanzausgleich hinaus zusätzlich belastet werden.