Recht auf Bildung auch in Coronazeiten

Die Schulzimmer sind in den letzten Monaten immer wieder zur Kampfzone der aufgeladenen Debatte über die Verhältnismässigkeit der Corona-Schutzmassnahmen geworden.

Echauffierte Eltern, die sich mit Argumenten bezüglich der psychischen und physischen Unversehrtheit ihrer Kinder gegen Gesichtsmasken und Teilnahmen an Massentest äussern, riskieren damit, dass das elementare Grundrecht „Recht auf Bildung“ ihrer Kinder gefährdet wird.

Wie immer, wenn es um Freiheit und Individualrechte geht, entsteht ein Dilemma, welcher der tangierten Freiheiten, resp. welchem Grundrecht mehr Gewicht beigemessen werden soll. Oder anders gesagt, auf Kosten welcher Freiheiten können Grundrechte erhalten bleiben?

In diesem Fall plädiere ich dafür, dass wir das Recht auf Bildung höher gewichten als persönliche Befindlichkeiten, zumal diese offenbar stärker bei den Müttern und Vätern als bei den Kindern selbst zum Ausdruck kommen. Interessanterweise scheinen die Hauptbetroffenen – die Kinder und Jugendlichen selbst – dieses ausgeprägte Bedürfnis nicht zu haben, sich politisch gegen diese Massnahmen zu engagieren, wie sie das bei anderen ihnen wichtigen Themen, z. B. dem Klima, durchaus machen. Die Beteiligung an den Massentests sowie die Einhaltung der Schutzbestimmungen (Masken tragen) wird von einer enorm grossen Mehrheit der Kinder und Jugendlichen akzeptiert und aus Vernunft mitgetragen, gerade weil es einen erneuten Fernunterricht zu verhindern hilft.

Die lautstarken, die Massnahmen ablehnenden Eltern meinen, nur das Beste für ihr Kind zu wollen, indem sie voraussetzen, dass die Kinder ihre eigene Haltung teilen. Dies mag zum Teil zutreffen, da die jungen Menschen ihre politischen Meinungen erst mit dem Älterwerden herausbilden werden.

Damit diese Kinder und Jugendlichen zu vollwertigen und eigenständigen Mitgliedern unserer Gesellschaft werden können, brauchen sie eine gute Schulbildung, die sie unter anderem auch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Meinung der Eltern, Lehrer:innen und Mitschüler:innen befähigt und ihnen die Möglichkeit gibt, eigene Positionen zu entwickeln, welche sich auch vom Elternhaus unterscheiden dürfen.

Zusammengefasst: Wenn Schulschliessungen oder die Quarantänezeit durch das Maskentragen und die Teilnahme an Massentests verhindert oder reduziert werden können, ist dies höher zu werten als die Nachteile, welche durch die Gesichtsmasken oder die Teilnahme am Spucktest einhergehen. Und es gewährt den Kindern das Recht auf Bildung.

Sibylle Jüttner, SP Weinland, Prorektorin, Schulpflegerin Sek. Andelfingen