Abschied aus dem Kantonsrat, aber nicht aus der Politik

Artikel aus der „Andelfinger Zeitung“, Ausgabe vom Freitag, 18. März 2022

Markus Späth-Walter (SP) hat am Montag seinen Rücktritt aus dem Kantonsrat angekündigt. Seine politische Laufbahn geht wohl in Feuerthalen weiter – als Präsident der Schulpflege und Mitglied im Gemeinderat.

Er ist weder krank noch hat er genug von der Politik. Vielmehr hat Markus Späth-Walter (Feuerthalen) seinen Rücktritt auf Ende Mai mit Bedacht gewählt – vor allem mit Rücksicht auf seine SP-Fraktion, die er seit acht Jahren präsidiert, sowie auf seine Nachfolgerin. Ab Juni wird Sibylle Jüttner (Andelfingen) von der SP-Liste Kreis Andelfingen nachrutschen. Markus Späth-Walter wurde 2007 in den Kantonsrat gewählt. Zur Freude über das eigene bschneiden kam die herbe Niederlage der Partei. Die SP verlor auf einen Schlag 17 ihrer damals 53 Sitze. 2011 schrieb die NZZ, die SP habe schwierige Zeiten hinter sich und an Substanz verloren, mit Markus Späth, der dreimal wiedergewählt wurde, aber immerhin einen versierten Bildungspolitiker gewonnen.

Besten Zeitpunkt gewählt

Das sah wohl auch seine Fraktion so und wählte ihn 2014 zum Chef der Fraktion und Nachfolger von Raphael Golta – der damals 61-jährige Weinländer erhielt den Vorzug vor dem 35-jährigen Moritz Spillmann. Mit der Wahl verbunden war der Einzug in die Geschäftsleitung des Kantonsrats und eine zeitliche Mehrbelastung von «mindestens drei Arbeitstagen», sagt Markus Späth.
Nun ist er 69-jährig, hat am Montag seinen Rücktritt mündlich angekündigt – schriftlich erfolge die offizielle «Kündigung» in einer Woche, sagt er – und zieht sich einen Monat nach Beginn des letzten Amtsjahres der vierjährigen Legislatur zurück. Es sei der bestmögliche Zeitpunkt, um das Präsidium geordnet einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger zu übergeben. Der ehemalige Gymilehrer geht davon aus, dass es wieder eine Auswahl geben
wird für «einen der spannendsten Jobs» in der Zürcher Politik.

Spannende Geschäftsleitung

Markus Späth präsidiert seit Beginn der laufenden Legislatur auch die Fortschrittsallianz aus SP, GLP, Grünen, EVP und AL sowie zwei Subkommissionen der Geschäftsleitung. Mit politischen Vorstössen hielt er sich deshalb zurück. Wenn er aber aktiv wurde, hatte das Gewicht: Sein Vorstoss «Wer A sagt, muss auch B sagen» für den Ausbau des ÖV-Angebots am Rheinfall war von allen 180 Rätinnen und Räten unterstützt worden. Als besonders spannend bezeichnet Markus Späth die Arbeit in der Geschäftsleitung des Kantonsrats. Sie hat zu Beginn der Pandemie etwa dafür gesorgt, dass der Zürcher Kantonsrat seine Rolle als Gesetzgeber und Aufsichtsorgan permanent wahrnehmen konnte – auch während des ganzen Lockdowns im Frühling 2020.

Sibylle Jüttner rutscht nach

Dass der Regierungsrat den nächsten Wahltermin auf den 12. Februar 2023 legte, hatte aber auch er nicht verhindern können. Der Entscheid sei zwar rechtmässig zustande gekommen, aber demokratisch nicht sehr fair, findet er. Und nennt es einen politischen und
egoistischen Entscheid des Regierungsrats, den dieser gegen die Mehrheit der Geschäftsleitung durchgeboxt habe. Für den Wahlkampf bleibe nur die Zeit nach Weihnachten. Trotzdem ist er optimistisch, dass die SP ihren Sitz im Weinland halten kann. Sibylle Jüttner hat ab Juni elf Monate Zeit, sich im Rat einzugewöhnen, und kann 2023 als Bisherige antreten; mit der Aussicht auf einen Wechsel in den Kantonsrat verzichtete sie auf eine Kandidatur für die Sek Kreis Andelfingen, der sie seit vier Jahren angehört.

Kandidat für die Schulpflege

Und Markus Späth? Er ist Gemeinderat in Feuerthalen und dort fürs Soziale zuständig. Am 27. März stellt er sich zur Wahl als Präsident der Schule, die alle Stufen vom Kindergarten bis zur Sek umfasst. In der Einheitsgemeinde verbliebe er im Gemeinderat, dem er seit 2010 angehört.

Abgeltung für geologische Tiefenlager

Die Schweiz hat sich verpflichtet, den radioaktiven Abfall im eigenen Land zu entsorgen. Dies geschieht voraussichtlich in langen Kavernen mehrere hundert Meter unter Boden, möglicherweise im Zürcher Weinland. Die Betreiber der Atomkraftwerke haben sich, wenn auch widerwillig, bereit erklärt, die Region dafür zu entschädigen. Auch für den Bundesrat ist es klar, dass Geld fliessen muss. Die Frage ist nur, wieviel und wofür. Dies auszuhandeln ist eine grosse Herausforderung.

Wer bestimmt unsere Verhandlungsdelegation, d.h. wer soll für unsere Region die „Kastanien aus dem Feuer holen“? Und wer entscheidet letztlich, ob das ausgehandelte Resultat zufriedenstellend ist? Entscheidend für die Akzeptanz des Verhandlungsresultats ist, dass sich die Region durch die Verhandlungsdelegation vertreten fühlt. Wer unsere Region bei den Verhandlungen vertritt, darf nicht im Hinterzimmer geregelt werden. Das Vorgehen muss in einem Vertrag geregelt sein, welcher den Stimmberechtigten vorzulegen ist. Nur so ist unsere Verhandlungsdelegation demokratisch legitimiert und nur so kann sie den Betreibern der Atomkraftwerke auf Augenhöhe gegenübertreten.

Was könnte nun in diesem Vertrag stehen? Dass die Stimmberechtigten gleich selbst die Verhandlungsdelegation wählen, ist nicht sinnvoll. Es braucht eine Zwischenstufe, nämlich eine etwa 20-köpfige Abgeltungskommission. Deren Mitglieder werden von den Gemeinderäten der betroffenen Gemeinden bestimmt. Die Abgeltungskommission besteht somit aus Personen der Region, welche das Vertrauen in der Bevölkerung geniessen. Aufgabe dieser Abgeltungskommission ist es, für unsere Region die fünfköpfige Verhandlungsdelegation zu bestimmen. Die Abgeltungskommission ist im weiteren Verlauf so etwas wie der Beirat der Verhandlungsdelegation: Das von der Verhandlungsdelegation ausgehandelte Resultat kann von der Abgeltungskommission geprüft und zur Nachbesserung zurückgewiesen werden. Akzeptiert die Abgeltungskommission das Verhandlungsresultat, so wird es den Stimmberechtigten der Region mit dem obligatorischen oder allenfalls auch einem fakultativen Referendum unterbreitet.

Dieser frühe Einbezug der Stimmberechtigten verschafft der Verhandlungsdelegation eine hohe demokratische Legitimation. Dies erhöht die Chance, dass das Verhandlungsergebnis von der ganzen Bevölkerung akzeptiert werden kann.

Andreas Jenni, SP Weinland, Gemeindepräsident Rheinau