Wie die Schulen geflüchtete Kinder und Jugendliche rasch integrieren

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine führt uns die menschliche Tragödie von Kriegsvertriebenen in einer ungewohnten Nähe vor Augen. Seit dem Jugoslawienkrieg fühlte sich kein Krieg so unmittelbar für die Schweiz an. So unternehmen der Kanton, aber auch die Gemeinden und die einzelnen Schulleitungen seit Ausbruch des Krieges viele Anstrengungen, damit geflüchtete schulpflichtige Kinder möglichst unkompliziert bei uns zur Schule gehen können.

Für die Sek II hat das Mittelschul- und Berufsbildungsamt (MBA) eine zentrale Stelle benannt, welche für alle Schulleitungen der Berufsschulen und Gymnasien Anlaufstelle ist. So wird versucht, die nötigen Triagen möglichst rasch und sinnvoll erfolgen zu lassen. Viele der älteren Jugendlichen verfügen über genügend Englischkenntnisse, sodass sie an den Gymnasien in die Englisch immersiv geführten Klassen aufgenommen werden können. Für jüngere Kinder und solche, die weniger gut Englisch können, wird ein Deutsch-Programm angeboten. Es bestehen Ideen, eigene Klassen zu bilden, sobald genug ukrainische Lehrerinnen vorhanden sind. Durch Kontakte zu den Hochschulen werden auch Studierende mit ukrainischen Wurzeln als mögliche Lehrpersonen angefragt.

Bis vor Kurzem haben sich Eltern und Verwandte von Geflüchteten mit ihren Kindern direkt bei uns an der Schule gemeldet. Wir haben bei uns an der Kanti Bülach zwei 17-jährige Jungs und ein jüngeres Mädchen aufgenommen. Bis zu den Frühlingsferien stellten wir jeden Tag einen für sie sinnvollen Stundenplan zusammen, während das Mädchen mit guten Deutschkenntnissen direkt in eine 3. Klasse (9. Schuljahr) integriert wurde. Zudem haben wir freiwillige Schüler:innen, welche während einer Spezialwoche der Schule Deutsch unterrichtet haben. Wir haben ausserdem schon vor mehreren Wochen mit einer Umfrage ermittelt, wer alles russisch sprechen kann. Bei der Integration unterstützen uns auch die Lehrerinnen, welche normalerweise für den Austausch fremdsprachiger Schüler:innen zuständig sind.

Vieles ist aber unklar und benötigt weitere Abklärungen. Die beiden Jungen hätten im nächsten Herbst in ihrer Heimat die Matur gemacht. Dies wird unmöglich sein, da sie aus Städten geflohen sind, welche stark kriegszerstört sind. Das heisst, sie werden auf jeden Fall länger bleiben und sollten wenn möglich in den nächsten zwei Jahren bei uns eine Matur machen können, um den nötigen Zugang zu den Hochschulen zu erhalten. Wie das gehen soll, weiss noch niemand.

Viele der Kinder und Jugendlichen haben furchtbare Erfahrungen gemacht, und die Schulen können die nötige psychologische Unterstützung nicht bieten, zumal wir leider jetzt schon immer mehr Jugendliche haben, welche psychologische und psychiatrische Unterstützung brauchen und es an Therapieplätzen fehlt. Das wird mittelfristig sicher ebenfalls eine Herausforderung für die Schulen, die Gemeinden und den Kanton werden.

Sibylle Jüttner, SP Weinland, Prorektorin, Schulpflegerin Sek. Andelfingen