SP-Forumsartikel der Andelfinger Zeitung, Ausgabe Freitag, 19.10.2022
Nach dem überraschenden Standortvorschlag der Nagra am 12. September, das Atommülllager in der Region Nördlich Lägern bauen zu wollen, haben sich nach den grossen Schlagzeilen die Wellen ein wenig geglättet. Im Weinland sind viele Menschen erleichtert, das Atommülllager nun doch nicht direkt vor der eigenen Haustüre zu bekommen. Vor allem die betroffenen Bauernfamilien und Grundeigentümer haben aufgeatmet. Das kann ich gut verstehen. Aber richtig freuen kann ich mich über den Entscheid nicht. Ob es uns gefällt oder nicht: Betroffen sind wir auch im Weinland nach wie vor. Das Endlager wird in unserem Kanton gebaut, nicht so weit von uns entfernt.
In den vergangenen Wochen wurde ich oft darauf angesprochen, wie es denn nun in Sachen Widerstand weitergehe. Die SP hat ihre Position zum Standortentscheid im September deutlich dargelegt, genauso wie der Verein KLAR! SCHWEIZ. Der Sachplan geologisches Tiefenlager folgt einem strikt politischen Fahrplan und nimmt keine Rücksicht auf ungeklärte Sicherheitsfragen. Der Standortentscheid wurde gefällt, bevor wesentliche technische Probleme gelöst sind.
Ungeklärt bleibt der Schutz des Tiefengrundwassers oder mögliche Erdgasvorkommen, die den Bau eines Atommülllagers in Frage stellen könnten. Ungeklärt bleibt die grosse Frage der Rückholbarkeit. Damit das Tiefenlager akzeptiert wird, braucht es eine Lösung, wie der eingelagerte Atommüll wieder zurückgeholt werden kann, z. B. für den Fall, dass neue Verfahren entwickelt werden, welche die Gefährlichkeit des Atommülls reduzieren können.
Die SP verlangt auf kantonaler Ebene, dass der Regierungsrat in einer Studie die Auswirkungen des Entscheids auf Gesellschaft und Wirtschaft untersuchen lässt und die betroffenen Gemeinden bei der Ausgestaltung der Studie mitbestimmen können. Die Bevölkerung in der Region Nördlich Lägern übernimmt für die Schweiz eine sehr grosse Last. Sie hat ein Anrecht darauf, dass auch die letzten Zweifel ausgeräumt und Alternativen weiter geprüft werden, bevor es zum Bau eines Atommülllagers kommt.
Jedenfalls werden wir uns im Prozess, der noch viele Jahre andauert, gemeinsam mit den Widerstandsorganisationen weiterhin kritisch einmischen. Nagra, BFE und Ensi müssen die offenen Fragen beantworten. Und ganz oben auf der Liste steht für uns – entgegen den Bemühungen anderer Kreise – der definitive Ausstieg aus der Atomenergie.
Käthi Furrer, Co-Präsidentin SP Weinland