Forum Andelfinger Zeitung, Ausgabe vom Freitag, 30. August 2024
Ich schreibe diesen Forums-Artikel nicht ohne besonderen Hintergrund. Als langjähriges Mitglied der kantonsrätlichen Kommission für Bildung und Kultur war ich an der Formulierung der Grundsätze für die integrative Schule im Volksschulgesetz beteiligt. Als aktueller Schulpräsident von Feuerthalen bin ich nun für deren Umsetzung mitverantwortlich und kann deren Wirkungen vor Ort beobachten.
Nach zwei Jahren Schulpräsidium stelle ich auf Grund der Schulbesuche und zahlreicher Gespräche befriedigt fest: Die Integration funktioniert. In unseren Klassenzimmern wird gute Arbeit geleistet. Vielen integrierten Kindern mit besonderen Bedürfnissen geht es in ihren Klassen gut. Die Schüler:innen lernen voneinander, nehmen Rücksicht und arbeiten gut zusammen – nicht immer, aber in aller Regel.
Integration ist aber nicht gratis zu haben. Sie hat ihren Preis. Die Schulpflege Feuerthalen hat vor den Sommerferien für rund 20 Kinder eine integrierte Sonderschulung in der Regelklasse (ISR) beschlossen. Im Schnitt wurden für jedes ISR-Kind neun Lektionen Unterstützung bewilligt. Konkret heisst das, dass den Klassen mit einem integrierten Kind während rund einem Drittel der Unterrichtsstunden Heilpädagogik-, Therapie- und Klassenassistenzlehrpersonen zusätzlich zur Hauptlehrperson zur Verfügung stehen. Sie unterstützen die Schüler:innen mit besonderen Bedürfnissen, stehen aber auch der ganzen Klasse zur Verfügung. Im Schnitt lässt sich unsere Gemeinde jedes ISR-Kind mehr als 37’000 Franken kosten. Zum Vergleich: Ein Platz an einer externen Kleingruppenschule kostet 55’000 Franken pro Kind.
Integration ist anspruchsvoll. Sie setzt voraus, dass alle Beteiligten eng zusammenarbeiten und ihren Einsatz im Alltag koordinieren. Diese Teamarbeit funktioniert in vielen Fällen gut, es gibt hier aber klar noch Verbesserungspotenzial. Die Bildungspolitik sollte mit der Revision des Berufsauftrags die Rahmenbedingungen deutlich verbessern: Die Arbeitszeit, die den Lehrpersonen für den Unterricht angerechnet wird, muss grosszügig erhöht werden.
Die Integration hat Grenzen. Die Integration ist erfolgreich, wenn Kinder mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen in einer Regelklasse gezielt gefördert werden können. Sie stösst dort an Grenzen, wo Kinder – meistens Buben – mit ihrem Verhalten den Unterricht stören, die Aufmerksamkeit der Lehrpersonen für sich allein beanspruchen und konzentriertes Arbeiten schwierig machen. Für diese besonderen Fälle braucht die Schule ein spezifisches Angebot: Solche Kinder müssen einen Ort haben, wo sie sozialpädagogisch betreut zur Ruhe kommen, individuell lernen und eng geführt werden können (Separation auf Zeit im eigenen Schulhaus). In Feuerthalen planen wir dafür fürs kommende Jahr eine sogenannte Schulinsel.
Schulinseln sind eine zukunftstaugliche Weiterentwicklung des integrativen Modells. Der Ruf nach Abschaffung der Integration und nach Rückkehr zur Kleinklassenschule ist dagegen pädagogisch falsch, finanziell für die Schulgemeinden verheerend und geht klar an der gesellschaftlichen Realität vorbei.
Markus Späth, SP, Schulpräsident, Alt-Kantonsrat, Feuerthalen