Ein Mann will gerne Militärdienst leisten. Aber dann kommt die Diagnose Diabetes. Er wird für untauglich erklärt und soll im Jahr rund 700 Franken Wehrpflichtersatz zahlen. Auch der Zivildienst wird ihm verweigert. Sein Vater kann nicht einsehen, warum für einen Diabetiker kein Job in Militär oder Zivildienst möglich sein soll. Er wehrt sich und zieht bis vor Bundesgericht. Dieses weist die Klage ab. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte allerdings korrigiert den Spruch: Der Sohn wurde diskriminierend behandelt und soll Militär- oder Zivildienst leisten dürfen.
Eine Frau will durchsetzen, dass ihr Mann nach seinem Tod Genugtuung findet. Er starb an Lungenkrebs, weil er bei der Arbeit grosse Mengen Asbest eingeatmet hatte. Es geht ihr nicht ums Geld, sondern darum, dass auch die Grossen für ihre Fehler geradestehen müssen. Alle Gerichte, auch das Bundesgericht, entscheiden, dass der Anspruch nach 10 Jahren verjährt sei. Dabei tritt der Krebs bei Asbest erst 20 bis 40 Jahre später auf. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aber befindet, dass mit dieser Frist den Asbestopfern jede Möglichkeit zur Klage verunmöglicht werde. Das Bundesgericht muss die Sache neu beurteilen.
Zwei Bespiele dafür, wie ein Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof auch bei uns in der Schweiz Menschenrechte durchsetzen kann. Bei Annahme der «Selbstbestimmungsinitiative» würde das verunmöglicht, das ist ein klares Ziel der Initiative. Was es mit Selbststimmung zu tun haben soll, wenn ich mich gegen einen ungerechten Entscheid nicht mehr wehren kann, ist mir schleierhaft.
«Selbstbestimmung ja!» steht auf den gelben Plakaten. Eine klassische Mogelpackung.
Ein Leserbrief von Jürg Keller, Oerlingen