Schluss mit der Willkür vor Wahlen und Abstimmungen

Vor einer Woche hat der Kantonsrat meine Parlamentarische Initiative «mehr Demokratie bei Wahlen und Abstimmungskämpfen» behandelt. Sie verlangt, dass die bürokratischen Hürden fürs Aufstellen von politischen Plakaten auf öffentlichem Grund beseitigt werden. Die Kantonsverfassung ist glasklar: Sie verlangt vom Kanton und von den Gemeinden, das demokratische politische Engagement und die Parteien bei der Meinungsbildung zu unterstützen. 

Die Wirklichkeit aber sieht ganz anders aus: Plakatieren ausserorts ist so gut wie ganz verboten und das Kantonale Tiefbauamt räumt Plakate an den Kantonsstrassen ab – nicht konsequent, aber doch recht häufig. Innerorts sind grundsätzlich die Gemeinden zuständig: Hier herrscht reinste Willkür. Es gibt grosszügige Gemeindebehörden, die den Parteien Plakatständer an attraktiven Standorten zur Verfügung stellen. Andere drücken vor Wahlen und Abstimmungen einfach beide Auge zu und tolerieren politische Werbung, sofern sie den Verkehr nicht gefährdet. Ihnen stehen dritte gegenüber, die für jedes Plakat eine Bewilligung verlangen (sogar für solche, die auf Privatboden platziert werden) und dafür sogar noch Gebühren eintreiben – vom Verfassungsauftrag der Demokratieförderung haben sie offenbar noch nie etwas gehört.

Die Vorlage, über die der Kantonsrat beraten hat, verlangt, dass jede Gemeinde eine ihrer Grösse angemessene Anzahl von Standorten bezeichnen soll, an denen die Parteien vor Abstimmungen und Wahlen frei Plakate aufstellen dürfen. Am Plakatieren auf privatem Grund und Boden soll gar nichts geändert werden.

Die Wogen gingen ziemlich hoch in der Debatte. Die SVP befürchtete offenbar, dass ihr Sünneli-Plakat-Monopol auf subventionierten Feldern und Scheunentoren in Gefahr geraten könnte und beschworen die Verkehrssicherheit. Die FDP verteidigte die Gemeindeautonomie. Alle anderen Parteien unterstützten den Vorstoss. Sie anerkannten, dass die vorgeschlagene Lösung unbürokratisch, einfach und geeignet sei, für alle Parteien im ganzen Kanton ein Minimum an Chancengerechtigkeit zu schaffen.

Abgestimmt wird erst in einigen Wochen. Nach der ersten Lesung prüft nun die Redaktionskommission die vorgeschlagene Gesetzesänderung. Es zeichnet sich eine sehr knappe Ausmarchung ab. Ziemlich genau die Hälfte des Rats hat sich vor einer Woche gegen, die andere für die Vorlage ausgesprochen. Das Zünglein an der Waage dürfte die EDU spielen, die als Kleinpartei eigentlich auch unter der aktuellen Situation leidet, aber von der vor diskutierten Lösung (noch) nicht überzeugt ist. So haben am Rande der gestrigen Kantonsratssitzung denn auch intensive Verhandlungen in der Lobby des Rathauses stattgefunden. Mal sehen, ob sich die EDU-Fraktion noch zu einem Ja durchringen kann. Noch vor Weihnachten werden wir es wissen …

Markus Späth-Walter, Kantonsrat, SP Fraktionspräsident, Feuerthalen

Asylsuchende

Erinnern Sie sich? Bilder von Menschen, die ihre völlig zerbombten, schneebedeckten Stadtquartiere in bitterer Kälte verlassen, um mit Bussen in ein Flüchtlingslager transportiert zu werden. Dort erwarten sie Lebensbedingungen, wie wir sie uns in unseren warmen Häusern nicht vorstellen können. Aleppo, Weihnachten 2016, bereits wieder aus unserem Fokus verschwunden

Auch an vielen andern Orten der Welt führen Menschen ein Leben, dessen Härte und Gefahren sich unserer Vorstellungskraft entzieht. Und sie versuchen, ihre Situation zu verbessern, sie versuchen mit allen Kräften, in ein Land zu gelangen, wo Sicherheit und Wohlstand herrschen. Vielfach setzen sie dafür ihr Leben aufs Spiel. Solche Menschen sind jetzt bei uns in der Schweiz, sie leben unter uns, und dies aus nachvollziehbaren Gründen.

Aber damit ist es nicht getan. Sie haben Bedürfnisse: Sie brauchen eine Wohnung und alles weitere für das materielle Leben Notwendige. Vor allem aber brauchen sie Unterstützung, Kontakt, Beratung und die Chance, Deutsch zu lernen. Dies ist dringend nötig: Eine Flüchtlingsfrau geriet in eine Kaskade von Mahnungen und Bussen, weil sie sich in unserem Verkehrsverbund einfach nicht zurechtfand. Aber auch in vielen andern Bezügen sind diese Menschen ohne Hilfe und Begleitung schlicht verloren. Sie sprechen ja vielfach nur ihre heimischen Sprachen, sind vielleicht nie zur Schule gegangen und kommen aus völlig andern Kulturen,

Diese Betreuungsarbeit leisten Freiwillige. Sie halten Kontakt und beraten, sie übersetzen und begleiten, sie hüten Kinder und helfen den älteren bei den Hausaufgaben, sie geben Deutschkurse. Sie arbeiten an der Basis. Sie erleben dabei viel Bestätigung, herzliche Kontakte und Dankbarkeit. Aber sie sind häufig am Anschlag, überfordert von der Fülle der Ansprüche, der Notwendigkeiten, die an sie herangetragen werden. Vielleicht sehen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, eine Möglichkeit, mitzuarbeiten und Ihre Fähigkeiten einzusetzen?

In unserem Bezirk leben momentan 219 Asylsuchende. Ich denke dass diese Menschen nur zu einem kleinen Teil von unserem Wohlstand „angesogen“ wurden. Und wenn, dann ist das kein Verbrechen, denn auch unsere Vorfahren suchten, weil sie in der Schweiz keine Zukunft sahen, in andern Ländern bessere Lebenschancen. Die meisten von ihnen aber werden durch die schrecklichen Zustände in vielen Weltteilen gezwungen, zu fliehen. Sie wären sicherlich viel lieber in ihrer Heimat geblieben. Leider wird dort die Bedrohung  nicht so rasch abnehmen. Die Asylsuchenden gehören zu uns, sie sind jetzt schon ein Teil unserer Bevölkerung. Unterstützen wir sie!

Jürg Keller, Aktuar der SP Weinland

Doch, ich bin blöd!

Ich bin blöd, weil ich brav meine Steuern zahle und erst noch meine, das sei meine Pflicht, denn ich erhalte ja auch einiges zurück von diesem Staat.

Vermögende Leute und vor allem die grossen Konzerne sehen das ganz anders: Sie tricksen mithilfe von internationalen Kanzleien, die ein Heer von Juristen und Bankspezialisten beschäftigen, die Gesetze aus und „optimieren“ so ihre Steuern. Und ich kann da nur zuschauen. Denn wenn ich beim Steueroptimierer Appleby mit meinem Einkommen und Vermögen vorbeikomme, haben die natürlich nur ein müdes Lächeln für mich.

Aber unsere bürgerlichen Parlamentarier werden ja auch die Konzernverantwortungsinitiative mit dem Argument ablehnen, unser Wohlstand und unsere Arbeitsplätze seien in Gefahr. Wessen Wohlstand, wessen Arbeitsplätze, bitteschön? Wohl die der Konzernbosse und Kanzleien! Dabei wäre etwas mehr Transparenz und Verantwortung für die Schweizer Konzerne, v.a. im Rohstoffsektor, dringend nötig und könnte das angeschlagene Image der Schweiz als Profiteur von Dienst endlich mal verbessern.

Leserbrief von Jürg Keller, Oerlingen