Am Montag hat der Kantonsrat einen ganzen Tag lang das neue
Kantonsratsgesetz beraten. Fertig wurde er damit nicht, die
Verhandlungen werden in einer Zusatzsitzung am nächsten
Montagsnachmittag fortgesetzt. Schon jetzt zeichnet sich aber klar
ab: Ausser Spesen (fast) nichts gewesen …
Das neue Gesetz wäre sinnvoll und der grosse Aufwand
gerechtfertigt, wenn damit die Rolle des Kantonsrats als Legislative
gestärkt, erkannte Schwächen beseitigt und Antworten auf neue
Herausforderungen formuliert werden könnten. Mit diesen drei
Kriterien sollen die bisherigen Ergebnisse beurteilt werden:
In allen drei Punkten ist der Befund ernüchternd? Schon im ersten
Artikel kuscht die Ratsmehrheit vor der Regierung: Statt wie
beispielsweise in Bern klar festzuhalten, dass das Parlament die
politischen Leitentscheide im Kanton zu fällen hat, wurde die
schwache Formulierung gewählt: «Der Kantonsrat vertritt das Volk
des Kantons Zürich gegenüber den andern kantonalen Behörden».
Der Vorschlag, die Debatten im Rat für alle Interessierten über
Livestream oder Entscheidungsticker direkt zugänglich zu machen,
wurde verworfen. Auch in Zukunft soll sich das Publikum auf die
Tribüne des alten Rathauses bemühen müssen, um das politische
Geschehen direkt mitverfolgen zu können. Dazu passt auch, dass im
Zürcher Kantonsrat anders als in vielen andern Parlamenten und im
Nationalrat Kommissions-Hearings über wichtige Frage grundsätzlich
hinter verschlossenen Türen stattfinden werden und sich die
Öffentlichkeit in keinem Fall direkt informieren kann.
Die Zusammenarbeit im Rat und die komplexe Planung hätten durch
ein gemeinsames Organ der Geschäftsleitung und aller
Kommissionspräsidien optimiert werden können. Die rechte
Ratsmehrheit hat auch diese Neuerung in einer Grundwelle von «alles
lassen wie es ist » vom Tisch gefegt; das gleiche Schicksal erlitt
die Idee, die immer wichtigere und aufwändigere Arbeit der
Raumplanung einer eigenen, neuen Raumplanungskommission zu
übertragen.
Die wohl grösste aktuelle politische Herausforderung für den
Kantonsrat ist die Auslagerung immer wichtiger Bereiche der
staatlichen Tätigkeit an selbstständige oder teilautonome
Institutionen (Spitäler, Hochschulen, EKZ, Lehrmittelverlag, um nur
die jüngsten Beispiele zu nennen); hier hat der Rat am Montag
immerhin beschlossen, die Regierung zu verpflichten, dem Parlament
alle vier Jahre einen «Bericht über die Strategie zu den
bedeutendsten Beteiligungen des Kantons» zur Genehmigung (!)
vorzulegen. Die Einführung einer Eigentümerkommission als starkes
Gegenüber für die durch die Auslagerungen immer stärker werdende
Regierung oder die Schaffung eines neuen wirksamen Instruments zur
Beeinflussung der Eigentümerstrategien (Eigentümermotion) waren der
Ratsmehrheit dann aber schon wieder der Neuerungen zu viele.
Bei den Gerichtswahlen soll ebenfalls alles bleiben wie es ist.
Die Justizkommission, wird nach wie vor auch bei der Auswahl der
RichterInnen eine entscheidende Rolle spielen. Dass die
Justizkommission nicht gleichzeitig die Mitglieder der Gerichte
auswählen und beaufsichtigen sollte, vermochte die Mehrheit nicht zu
überzeugen. So können die ineffizienten und konfliktträchtigen
Doppelspurigkeiten zwischen Justizkommission und der eigentlich
zuständigen Interfraktionellen Konferenz (in der alle Fraktionen
vertreten sind) nicht beseitigt werden. Das Verfahren bleibt
intransparent, kompliziert und für die Betroffenen unnötig
belastend. Es wird der Bedeutung der Aufgabe, die besten RichterInnen
für die höchsten kantonalen Gerichte zu finden, nicht gerecht.
Als Gesamtfazit ist festzuhalten: Das neue Kantonsratsgesetz bringt zwar keine Verschlechterungen, es stellt aber eine grosse verpasste Chance dar. Es wäre wohl gescheiter gewesen, es nicht noch in dieser Legislatur durch den Rat zu peitschen, sondern die Wahlen im März abzuwarten – in der Hoffnung auf eine neue, weniger mutlose und Innovationfeindliche Mehrheit im Rat.
Markus Späth-Walter, Kantonsrat, Fraktionspräsident SP, Feuerthalern