SP Weinland: Parole zur KSW AG

Das Kantonsspital Winterthur (KSW) ist heute ein höchst erfolgreiches Spital, das für rund 250’000 Menschen im Norden des Kantons die medizinische Grundversorgung garantiert. Es erbringt qualitativ hochstehende Leistungen und wirft dabei sogar ganz anständig Gewinn ab. Nach dem Willen der Regierung und der bürgerlichen Parteien soll das KSW nun privatisiert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Als AG wird das KSW primär auf Gewinn getrimmt werden; nach nur fünf Jahren sollen die Aktien frei an Privatinvestoren verkauft werden können; nahöstliche Staatsfonds und internationale Spitalkonzerne wie die Hirslandengruppe in südafrikanischem Besitz stehen Gewehr bei Fuss; sie werden alles daran setzen, in Winterthur nur noch rentable Behandlungen durchzuführen und weniger lukrative Bereiche wie die Geburtshilfe oder die Altersmedizin abzustossen. Die Erfahrungen mit Privatspitälern zeigen zudem schon heute, dass allgemein versicherte Patienten damit rechnen müssen gegenüber Zusatzversicherten benachteiligt zu werden, weil nur mit Privatpatienten wirklich Gewinne erzielt werden können.

Nichts spricht dagegen, den Spitälern etwas mehr Spielraum zuzugestehen. Eine KSW-AG im Mehrheitsbesitz des Kantons wäre eine durchaus akzeptable Lösung. Nicht in Frage kommt aber, ein für die Grundversorgung so wichtiges Spital vollständig aus der demokratischen Kontrolle zu entlassen und an einseitig proftiorientierte Privatinvestoren zu verkaufen. Das KSW gehört heute dem Zürcher Volk; ein Nein am 21. Mai sorgt dafür, dass das auch so bleibt.

Markus Späth, Kantonsrat, Fraktionspräsident SP, Feuerthalen

Zu weit gegangen: KSW-Direktor soll zurücktreten

Kolumne zur Kantonsratssitzung vom 24. April 2017

Kaum grosse Wellen warfen die Einzelinitiativen, über die der Kantonsrat gestern – zum letzten Mal unter dem Vorsitz von Präsident Rolf Steiner (SP) – beriet: Nur eine einzige erhielt mehr als die 60 Stimmen, die es braucht, damit eine politische Idee eines einzelnen Stimmberechtigten im Kantonsrat aufgegriffen und weiter beraten wird: 74 Kantonsräte unterstützten den Vorschlag von Othmar Hasler aus Sternenberg, der verlangt, bei öffentlichen Bauaufträgen so viel Holz wie möglich aus Zürcher Wäldern zu verwenden.

Höhere Wellen warf die gemeinsame Fraktionserklärung der Alternativen Liste, der Grünen und der SP gegen den Direktor des Kantonsspitals Winterthur (KSW), Rolf Zehnder: Zehnder hat sich in den letzten Tagen völlig einseitig in den Abstimmungskampf um die Privatisierung des KSW eingemischt. In einem Interview mit der NZZ verhöhnte er letzte Woche den Kantonsrat und die demokratischen Regeln in unserm Kanton. Er legte ganz offen dar, wie das KSW die Mitsprache des Kantonsrats seit Jahren ausheble, und wichtige Investitionen durch geschickte Manipulationen auch ohne Zustimmung des Parlaments vorgenommen habe. Diese offen eingestandenen Umgehungsgeschäfte wurden von der unabhängigen Finanzkontrolle des Kantons sofort und harsch kritisiert; selbst Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger kam daraufhin nicht um eine Rüge herum. Zehnder ist aber offensichtlich unbelehrbar: In der gestrigen Ausgabe des Tagesanzeigers doppelte er nach und klagte in lauten Tönen, wie hinderlich die Demokratie im Allgemeinen und der Kantonsrat im Speziellen für die Führung des Spitals seien.

Tatsache ist: Der Kantonsrat hat noch nie ein Anliegen des KSW nicht bewilligt; das KSW schreibt Gewinn, investiert wie wild, beteiligt sich an andern Gesundheitseinrichtungen und ist unternehmerisch ausgezeichnet aufgestellt. Die Aussagen des Winterthurer Spitaldirektors sind schlicht skandalös. Er beisst die Hand, die ihn füttert: Das KSW gehört der Zürcher Bevölkerung; 55% der Fallpauschalen, über die das Spital finanziert wird, bezieht Zehnder von den Steuerzahlern. Dass er die demokratisch gewählten Behörden, die für den sorgfältigen und effizienten Einsatz der öffentlichen Mittel verantwortlich sind, heute einfach umgeht und morgen mit der Privatisierung ganz ausschalten möchte, ist unerträglich. Zu dieser Missachtung von Gesetz und Verfassung passt, dass sich das KSW auch mit Steuergeldern in die Abstimmungskampagne einmischt.

Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Der Winterthurer Spitaldirektor politisiert auch im eigenen Interesse. Wir wissen von vielen andern Privatisierungsvorlagen eines ganz sicher: Die von den «staatlichen Fesseln» befreite Verwaltungsrat wird als erstes seine eigenen Bezüge und die Boni der Führungsetage nach oben anpassen. Wir unterstellen dem umtriebigen Spitaldirektor nicht, dass sein Engagement vor allem durch sein eigenes Interesse motiviert ist – er wird aber völlig zu Recht davon ausgehen dürfen, dass ihm die Privatisierung auch persönlich nicht schaden wird …

Mit seinem Verhalten hat sich Rolf Zehnder unmöglich gemacht: Die Fraktionen der AL, der Grünen und der SP fordern den Spitalrat auf, ihn per sofort freizustellen und zu entlassen. 

Markus Späth, Kantonsrat, Fraktionspräsident SP, Feuerthalen

Enttarnte bürgerliche Sparpolitik

Der Kanton Zürich steckt bekanntlich mitten in einer gröberen Sparrunde. Auslöser ist der mittelfristige Haushaltsausgleich. Er verlangt, dass über acht Jahr hinweg der Saldo der Erfolgsrechnungen ausgeglichen sein muss; massgeblich sind jeweils die letzten drei Rechnungsjahre, das laufende Jahr und die folgenden vier Planjahre. Für die Jahre 2013 bis 2020 hat die Regierung 2016 einen Fehlbetrag von 1.8 Mia berechnet und ein hartes Abbau- und Sanierungspaket vorgelegt.

Der Haushaltsausgleich ist eine klassisch bürgerliche Fehlkonstruktion. Dass auch beim Staat Einnahmen und Ausgaben über eine längere Periode hinweg im Lot sein sollten, ist zwar durchaus richtig; weil aber nicht weniger als fünf zukünftige Jahre mitgerechnet werden, ergibt sich eine systematische Verfälschung: Praktisch ausnahmslos sind die Prognosen nämlich viel zu pessimistisch – die Einnahmen werden regelmässig zu tief, die Ausgaben Jahr für Jahr zu hoch angenommen. Der vor kurzem publizierte Abschluss für das Jahr 2016 belegt es augenfällig: Statt mit 69 Millionen Defizit schliesst die Zürcher Staatsrechnung mit nicht weniger als 390 Millionen im Plus ab. Die Differenz zwischen Budget und Rechnung entlastet den mittelfristigen Haushaltsanteil um mehr als 450 Millionen – unsere grundsätzliche Kritik am Sparpaket war und ist mehr als gerechtfertigt.

Das Abbauprogramm Lü16 der Zürcher Regierung sieht neben rund 80 einzelnen Sparmassnahmen auch einige wenige Mehreinnahmen vor. Den Sparmassnahmen im Bildungs- und Gesundheitsbereich und beim öffentlichen Verkehr haben die vereinigten bürgerlichen Mehrheitsparteien bisher mit fast schon sadistischer Begeisterung zugestimmt. 

Bei den Mehreinnahmen werden jetzt plötzlich ganz andere Töne angeschlagen. Die Regierung möchte die Pendlerabzüge bei 3000 Franken begrenzen und so für Kanton und Gemeinden jährlich fast 100 Millionen höhere Steuererträge generieren. Der Aufschrei der Autolobby im Rat, an vorderster Front die vereinigte SVP-Fraktion, war ohrenbetäubend. Eine Mehrheit für die Erhöhung der Abzugsgrenze auf 5000 Franken kam aber erst durch einen üblen Deal mit der FDP zustande: Die Freisinnigen haben sich den Kampf gegen die «Lex Hirslanden» auf die Fahne geschrieben; sie will Privatspitäler mit einer Abgabe auf ihren hohen Gewinnen zu belasten, so lange sie praktisch nur privat versicherte Patienten behandeln. Der bürgerliche Handel, sieht nun vor, die Spitalabgabe zu versenken und den Pendlerabzug zu erhöhen. Beides zusammen wird Kanton und Gemeinden pro Jahr rund 100 Millionen kosten. 

Merke: Wenn es um die Interessen der eigenen Klientel – die AutopendlerInnen und SteueroptimiererInnen oder die Gewinne der Privatspitäler und hohen Chefarzthonorare –  geht, spielt die Sanierung der Staatsfinanzen ganz plötzlich keine Rolle mehr. Bürgerliche Sparpolitik hat meist nur vordergründig die Sanierung der Staatsfinanzen zum Ziel; der eigentliche Zweck aber ist praktisch immer die Umverteilung von unten nach oben.

Markus Späth, Zürcher Kantonsrat, SP-Fraktionspräsident, Feuerthalen 


Hirslanden-Steuer, Spitalverselbständigungen – in Zürich sorgt die Gesundheitspolitik für Zündstoff, auch im Streitgespräch zwischen Markus Späth und Thomas Vogel, den Chefs der Kantonsratsfraktionen von SP und FDP

Im Kantonsrat wird derzeit an mehreren Fronten über Gesundheitsthemen gestritten. Sie beide sind in letzter Zeit wiederholt aufeinandergeprallt. Einigkeit scheint nicht in Sicht zu sein. 

Thomas Vogel: Ja, das ist so. Wir haben diametral entgegengesetzte Vorstellungen. Die SP will einen Spitalverbund schaffen, während wir der Meinung sind, dass es mehr Wettbewerb braucht. Markus Späth redet jeweils von einem ruinösen Wettbewerb, von dem ich jedoch nichts merke. Survival of the fittest gilt halt auch für Spitäler.

Markus Späth: Ich bin ein überzeugter Anhänger der sozialen Marktwirtschaft. Märkte lösen Probleme oft besser als der Staat. Aber im Gesundheitswesen funktioniert der Markt nicht. Wer krank ist, macht alles, was ihm ein Arzt sagt – oder lieber noch mehr. Zudem ist der Spitalmarkt zu mehr als der Hälfte vom Staat finanziert. Wir stellen den Spitälern schweizweit Milliarden von Franken zur Verfügung, haben aber kaum Steuerungsmöglichkeiten. Die Folge des Wettbewerbs ist eine massive Mengenausweitung bei den Bettenkapazitäten, den Behandlungen und der Infrastruktur. 

Vogel: Und ein Verbund soll das Problem lösen?

Späth: Ja, wir brauchen einen Spitalverbund nach dem Muster des Zürcher Verkehrsverbund ZVV, der die einzelnen Häuser nicht zentralistisch führt, aber die Investitionen steuert.

Aber wer soll den Verbund steuern?

Späth: Im Kanton St. Gallen setzt der Regierungsrat einen Verwaltungsrat ein, der die Investitionsplanung macht. Es darf Wettbewerb geben, aber nicht bei den Investitionen.

Vogel: Einerseits sagt ihr, der Wettbewerb sei schädlich, andererseits sprecht ihr vom Pseudowettbewerb, was ja hiesse, dass es ihn nicht gibt. Das müsstet ihr einmal klären. Vor allem ist mir aber nicht klar, was es bringen soll, wenn eine planwirtschaftliche Verbundsstruktur aufgezogen wird. Der Wettbewerb unter den Verbundsspitälern bestünde genau gleich. Und der Verbund liefe Gefahr, es aus politischen Gründen allen recht machen zu wollen. Nein, wir müssen schauen, dass die Spitäler ihre Rentabilität beeinflussen können durch ihr eigenes Geschäften im Markt.

Die Kosten wachsen im Moment aber trotz Wettbewerb. 

Vogel: Wenn die Spitäler flexibler werden, ihr Kapital selber äufnen, einsetzen und Investitionen steuern können, sollte das mittelfristig auf die Kostensteigerung mindestens mindernd wirken.

Späth: Das ist das Prinzip Hoffnung.

Vogel: Dass ein Verbund das Problem löst, folgt nicht weniger dem Prinzip Hoffnung.

Späth: Ich wäre ja gerne bereit auf konstruktive Vorschläge von Euch einzugehen. Aber ich höre nichts anderes als den marktideologischen Ansatz.

Vogel: Wenn wir höhere Franchisen vorschlagen, sagt ihr Nein. Wenn wir einen höheren Selbstbehalt wollen, sagt ihr Nein. Wenn man die Arztwahl einschränken will, sagt ihr Nein.

Späth: Ja, bei der Arztwahl braucht es Wettbewerb. Dort hat der Patient eine echte Wahlfreiheit.

Einen Markteingriff plante der Regierungsrat bei Kliniken mit vielen Zusatzversicherten. Die Bürgerlichen lehnen die Abschöpfungsabgabe aber ab. Sie, Herr Späth, geisselten dies scharf. Der Kanton schiebe südafrikanischen Investoren Geld in den Rachen, sagten Sie. Da klangen Sie fast wie ein Jungsozialist.

Markus Späth: Das zeigt eben die Breite unserer Partei auf und dass ich ganz nahe an ihrem Herzen bin.

Die Juso sind das Herz der Partei?

Späth: Die Juso gehören auch zum Herz der Partei. Aber im Ernst. Dass die Bürgerlichen unter der Ägide der FDP diese Abgabe streichen, ist ärgerlich. Die Klinik Hirslanden, die am meisten betroffen wäre, macht massiv mehr Gewinn als alle anderen Listenspitäler. Der Grund dafür ist vor allem, dass sie einen weit unterdurchschnittlichen Anteil an allgemeinversicherten Patienten betreut. Gegen Gewinn spricht nichts, wenn man effizient arbeitet. Aber es ist problematisch, wenn er zustande kommt, weil ein Spital seine Klientel einseitig auswählt. Es wäre deshalb richtig, bei Spitälern, die nicht für alle Patienten da sind, Gewinn abzuschöpfen.

Warum stemmt sich die FDP gegen die so genannte Lex Hirslanden, Herr Vogel?

Thomas Vogel: Ich besitze keine Aktien der Hirslanden (lacht). Ich finde es falsch, wie hier willkürlich eine neue Steuer eingeführt werden soll. Die Fraktionserklärung von Markus Späth war ideologisch – und er operierte mit nachweislich falschen Zahlen. Es ist nicht verwerflich, wenn ein Unternehmen Gewinn macht. Und es ist ein durchaus zulässiges Geschäftsmodell, dass die Klinik Hirslanden einen hohen Anteil an zusatzversicherten Patienten anstrebt. Die entscheidende Frage ist, ob das Spital systematisch allgemeinversicherte Patienten ausschliesst, wie es Markus Späth gerade behauptet hat. Das wäre in der Tat inakzeptabel, nur gibt es dafür laut Gesundheitsdirektion keinerlei Belege. 

Späth: Schauen Sie sich doch einmal die Zahlen an: Die Klinik Hirslanden hat nicht einmal einen Anteil von 25 Prozent an Allgemeinversicherten. Wie sie das hinbekommt, kann ich nicht beurteilen. Überdies ist die Spitalsteuer ja eine Idee von FDP-Regierungsrat Thomas Heiniger, sie ist also auf liberalem Mist und nicht auf linkem Mist gewachsen. Offensichtlich hat er gemerkt, dass man Hirslanden gar nicht auf die Spitalliste hätte nehmen sollen. Aber für die FDP ist ja weder die Spitalsteuer noch die Streichung der Hirslanden von der Spitalliste ein Thema.

Vogel: Wer hätte denn etwas davon, wenn Hirslanden nicht mehr auf der Spitalliste wäre? Niemand. Die Grundversicherten könnten sich nicht mehr dort behandeln lassen. Der Kanton würde keinen Rappen sparen, denn diese Patienten würden einfach in ein anderes Spital wechseln – und auch dort bezahlt der Kanton 55 Prozent der stationären Kosten. Klar ist: Es besteht der politische Druck, dass die Klinik ihren Anteil an Allgemeinversicherten erhöht. Und ich gehe davon aus, dass man dies bei Hirslanden auch verstanden hat.

Die Frage nach mehr Markt oder mehr Staat stellt sich auch bei der kantonalen Abstimmung vom 21. Mai. Das Kantonsspital Winterthur und die Integrierte Psychiatrie sollen in Aktiengesellschaften umgewandelt werden. Die SP warnt vor einem Ausverkauf des Gesundheitswesens. Warum ist die FDP dafür?

Vogel: Die Spitäler brauchen eine Struktur, mit der sie sich flexibel im Markt bewegen können. Und für Gebilde dieser Grösse ist die Aktiengesellschaft die Struktur schlechthin. Die Umwandlung ermöglicht zudem, wichtige Kooperationen einzugehen und flexibler zu entlöhnen.

Das klingt doch elegant. Wieso haben Sie etwas dagegen, Herr Späth?

Späth: Einverstanden, es braucht mehr Freiheit für die Spitäler. Die AG ist eine mögliche Form. Das Problem ist aber, dass der Kanton seine Aktien nach fünf Jahren frei verkaufen kann. Nur wenn er die Mehrheit veräussern will, untersteht dies dem fakultativen Referendum. 

Vogel: Und ich zweifle nicht daran, dass Ihr das ergreifen werdet.

Späth: Ja, das kann ich jetzt schon garantieren. Für die Abstimmung im Mai aber gilt: Wehret den Anfängen. Immerhin geht es um die Grundversorgung für mehrere hunderttausend Menschen.

Vogel: Die bricht doch nicht zusammen, wenn ein Privater das Spital übernimmt.

Späth: Wenn wir keine Garantien haben, kann das passieren. Im Gesetz heisst es lediglich, es müsse langfristig ein erfolgreicher Spitalbetrieb garantiert werden. Das bedeutet aber, dass man nicht lukrative Behandlungen streichen kann. Wenn im Gesetz verankert wäre, dass der Kanton der Mehrheitseigentümer bleiben muss, hätten wir der Umwandlung in eine AG zugestimmt.

Vogel: Der Verkauf würde eine Bewilligung durch den Kantonsrat brauchen, und es käme sicher zu einer Abstimmung. Das ist doch eine gewaltige Hürde. Und sollte das Volk einem Verkauf an einen privaten Betreiber zustimmen, dann wäre das doch in Ordnung.

Späth: So weit wird es nicht kommen. Wir werden schon die Abstimmung am 21. Mai gewinnen. (lacht) Aber ich frage mich, warum ihr nicht dem Kompromiss zustimmen konntet, dass der Kanton Mehrheitsaktionär bleiben muss. Dann wäre uns diese Abstimmung nämlich erspart geblieben. Und das Kantonsspital Winterthur hätte mehr Flexibilität.

Vogel: Der fundamentale Unterschied liegt wohl darin, dass ihr meint, der Staat könne ein Spital besser führen als Private. Das sehen wir anders. Die Sicherung der Grundversorgung kann die Gesundheitsdirektion über Leistungsaufträge steuern. Dafür braucht es keine Staatsspitäler. Und schon gar nicht muss der Kantonsrat in unternehmerische Entscheide involviert werden, dafür ist er das falsche Gremium.

Späth: Die Spitäler der Grundversorgung sollen im Besitz des Kantons bleiben. Sie sind «too big to fail». Wenn sich ein Privater verspekuliert und Konkurs geht, muss der Kanton das Spital wieder übernehmen, mit allen Verlusten, die bleiben. Und das wollen wir verhindern. Es braucht nicht staatliche Führung, sondern staatliche Kontrolle.

Vogel: Ein Spital, das im Besitz des Kantons ist, kann genauso in finanzielle Schieflage geraten, so dass am Schluss der Steuerzahler den Schaden hat.

Späth: … aber ohne dass vorher die Gewinne privatisiert worden wären.

Vogel: …vor allem wären davor Steuern bezahlt worden.

Die SP ergreift setzt in Zürich vermehrt auf Referenden oder Initiativen. Sehen Sie sich seit den letzten Wahlen 2015 im Kantonsrat verstärkt in der Oppositionsrolle, Herr Späth?

Späth: Ja, das ist so. Unsere Situation ist nicht hoffnungslos, aber schwierig.

Ist das frustrierend oder lustvoll?

Späth: Für mich eher lustvoll. Ich bin jemand, der die Konfrontation nicht scheut. Und wir bekommen in entscheidenden Fragen ja auch Recht vom Volk. 

Würden Sie von einem Rechtsrutsch im Kanton sprechen, Herr Späth?

Späth: Eindeutig. Die Leistungsüberprüfung 16 zum Beispiel ist ein unnötiges Sparpaket, die klar positive Rechnung 2016 hat uns schon recht gegeben. 

Vogel: Der bürgerliche Schulterschluss funktioniert in Zürich, vor allem in den Bereichen Steuern, Finanzen, Infrastrukturen. Wir hatten aber vorher schon die Mehrheit im Kantonsrat. Verändert hat sich das Zünglein an der Waage. Früher war es die GLP, heute ist es die CVP oder die BDP. Von einem Rechtsrutsch würde ich nicht sprechen. Ich bin aber dankbar, dass wir eine komfortablere bürgerliche Mehrheit haben – und die Begehrlichkeiten von linker Seite verhindern können. Ich überlege mir ab und zu, wie es wäre, wenn ich auf der anderen Seite sitzen und fast jeden Montag als Verlierer aus dem Saal gehen würde. Das braucht wohl eine spezielle psychologische Disposition.

Späth: Danke für das Bedauern. Die Mehrheitsverhältnisse haben sich aber schon spürbar akzentuiert. Gegenwärtig ergehen sich die Bürgerlichen ja gerade in ihrer Lust am Sparen: etwa in der Bildung oder im Gesundheitswesen. Dass sie nun aber die «Lex Hirslanden» ablehnen und den Pendlerabzug erhöhen zeigt, dass es Ihnen gar nicht um den Haushalt geht. 

Vogel: Ich weiss nicht, wie man auf die abstruse Idee kommen kann, dass Sparen Spass machen könne. Auch bürgerliche Politiker finden es erheblich befriedigender, wenn sie investieren können, statt etwas zu streichen. Aber im Gegensatz zu Euch haben wir ein finanzpolitisches Gewissen. Ausserdem ist der Haushaltsausgleich in der Verfassung festgeschrieben. Darin steht aber auch, dass wir als Parlament nur an den Saldo gebunden sind. Wir können also auch andere Ideen präsentieren als der Regierungsrat, sofern die Rechnung am Schluss aufgeht.

Mit dem Deal, den die Bürgerlichen nun eingegangen sind, ist es aber absehbar, dass am Ende ein Fehlbetrag entsteht – und wohl über 100 Millionen Franken fehlen. 

Vogel: Das Paket der FDP ist in sich stimmig.

Späth: Aber Ihr seid noch nicht allein mehrheitsfähig.

Vogel: Für alle Massnahmen, die wir abgelehnt haben, haben wir Kompensationsmassnahmen vorgeschlagen. Dass wir nun für die Spitalsteuer und den Pendlerabzug einen Kompromiss mit den anderen bürgerlichen Parteien eingegangen sind, ist ein normaler Vorgang. Mit der SP wären wir wahrscheinlich nicht besonders weit gekommen.

Späth: Habt Ihr es versucht?

Vogel: Zum Teil.

Späth: Also bis zu mir ist das nicht vorgedrungen.

Vogel: Ihr sagt immer, Ihr seid bereit – aber es schaut nie etwas dabei heraus. Ihr macht vollmundige Medienkonferenzen, in denen ihr durchaus Sparpotenzial ortet. In Budgetdebatten kommt von der SP dann aber nie etwas, das auch nur ein paar wenige Franken Einsparungen bringen würde. 

Späth: Wir haben Druck auf die Regierung gemacht und erreicht, dass in den Budgets Luft abgelassen wird – da reden wir von mehreren hundert Millionen Franken.

Vogel: Jetzt sind wir im Bereich der Geschichtsklitterung.

Späth: Nein, das ist eine Tatsache.

Im Dezember wird es darum gehen, den Steuerfuss des Kantons für die nächsten zwei Jahre festzusetzen. Was ist von Ihnen zu erwarten?

Späth: Wir sind nicht aus Begeisterung für höhere Steuern. Wir fordern eine Erhöhung dann, wenn die gesetzlich vorgegebenen Leistungen des Staats nicht mehr erbracht werden können.

Vogel: Für uns steht eher zur Diskussion, den Steuerfuss zu senken. Der Pendlerabzug ist faktisch eine Steuererhöhung. Wir stimmen ihm aus verschiedenen Gründen mit einer Begrenzung auf 5000 Franken zu. Im Gegenzug muss aber der allgemeine Steuerfuss gesenkt werden.

Beitrag der Neue Zürcher Zeitung vom 31.03.2017 Seite 18

Übermut tut selten gut

Das sensationelle Ergebnis der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III gab selbstverständlich auch im Kantonsrat zu reden. Die AL-Fraktion thematisierte das sehr deutliche Nein in einer Fraktionserklärung. Wundenlecken bei SVP und FDP, Genugtuung bei Grünen und SP waren aber auch in vielen Lobbygesprächen und in der Ratspause angesagt.

Der klare Volksentscheid ist nicht einfach ein Erfolg der politischen Linken. Er ist in erster Linie ein Sieg der schweizerischen direkten Demokratie. Die StimmbürgerInnen haben für einmal dem massiven Druck der Wirtschaft, aller bürgerlichen Parteien, den vereinigten kantonalen Finanzdirektoren und einer millionenschweren aggressiven Angst-Kampagne widerstanden; sie haben klar gemacht, dass sie nicht bereit sind, schon wieder die Zeche für einen unsinnigen internationalen und kantonalen Steuerwettbewerb bei der Gewinnbesteuerung zu bezahlen. Eine deutliche Mehrheit will, dass die Unternehmen sich auch in Zukunft angemessen an der Finanzierung der Infrastruktur, der Bildung und des Gesundheitswesens beteiligen.

Die Ablehnung der USR III ist ein Warnschuss für die FDP und die SVP: Auch wer im Parlament über eine Mehrheit verfügt, kann nicht einfach wild drauflos politisieren. Sonst resultieren eben unausgewogene Vorlage, die einseitig nur die Interessen der eigenen Klientel verfolgen, und vom Volk verworfen werden.

Auch im Kanton Zürich sind die FDP und die SVP im Moment übermütig und rücksichtslos unterwegs. Beispiele gefällig?

  • Die beiden grossen bürgerlichen Parteien sind drauf und dran, das Sparpaket der Regierung an die Wand zu fahren, um egoistische Sonderinteressen zu bedienen; sie wollen die Steuerabzüge zu Gunsten der Auto-Pendler auf 5000 Franken erhöhen und die Abgabe für Privatspitäler, die entgegen allen Verpflichtungen fast nur Privatpatienten behandeln, verwerfen. Beide Massnahmen würden den Kanton pro Jahr rund 100 Millionen Franken kosten und den mittelfristigen Finanzausgleich torpedieren.
  • Beim Kantonsspital Winterthur und bei der Integrierten Psychiatrie Winterthur haben sie bereits einer Umwandlung in Aktiengesellschaften zugestimmt, die in fünf Jahren ganz oder teilweise privatisiert werden können. Sie nehmen bewusst in Kauf, dass auch diese beiden für die Grundversorgung unserer ganzen Region unverzichtbaren Spitäler in die Hand von profitorientierten ausländischen Investment-Gesellschaften geraten. Das Risiko, dass in absehbarer Zukunft in Winterthur ausschliesslich gewinnbringende Behandlungen angeboten werden und nur noch gutbetuchte Patienten willkommen sind, ist ihnen offensichtlich egal.

Auch in diesen Fällen wird zum Glück das Volks das letzte Wort haben. Das Referendum gegen die beiden Winterthurer Spitalprivatisierungen ist bereits eingereicht. Auch bei den beiden anderen Vorlagen werden entsprechende Beschlüsse vorbereitet. Nach den Ergebnissen des letzten Wahlwochenendes gibt es durchaus Grund für Hoffnung. Wie sagt es der Volksmund so schön: «Übermut tut selten gut» … 

Markus Späth-Walter, Kantonsrat, SP-Fraktionspräsident, Feuerthalen

«E Stüür brucht Gschpüür – susch wird’s tüür» (a. Bundesrätin Widmer-Schlumpf)

Ja: alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat völlig recht: Die Unternehmenssteuerreform III wird teuer, sehr teuer. Drei Milliarden wird sie den Bund kosten, 600 bis 800 Millionen im Kanton Zürich. Alle Weinländer Gemeinden zusammen müssen mit Einnahmenausfällen von rund 4.2 Millionen rechnen, pro Haushalt sind das nicht weniger als 325 Franken pro Jahr. Das sind vorsichtige Schätzungen. Die üble Erfahrung mit der letzten Gewinnsteuersenkung, der USR II, zeigt: die wahren Kosten dürften tatsächlich viel höher liegen.

Alle Weinländer Gemeinden werden entweder die Steuern massiv erhöhen müssen – im schlimmsten Fall um 10% (Truttikon) im Durchschnitt um 6.5%. Alternativ müsste bei den Leistungen gekürzt werden: In Feuerthalen etwa um 480’000 Franken, in Rheinau um 200’000, in Andelfingen um 290’000. Schmerzliche Kürzungen bei Schulen und Altersheimen oder bei den Investitionen wären dann die Folge.

Damit wir uns recht verstehen: Eine Steuerreform ist nötig und dringend. Die unsäglichen Steuergeschenke für privilegierte internationale Unternehmen müssen abgeschafft werden. Der Bundesrat hat unter der Federführung von Finanzminister Ueli Maurer eine ausgewogene Lösung präsentiert, die mit vertretbaren Kosten rasch realisiert werden kann. Das Mogelpaket mit komplizierten neuen Steuerschlupflöchern, das uns National- und Ständerat präsentieren, muss dafür aber zuerst einmal weg vom Tisch. Die Schweiz hat schon heute sehr tiefe Gewinnsteuern, attraktiv ist sie aber vor allem wegen ihrer hervorragenden Infrastruktur und ihrem leistungsfähigen Bildungswesen. Das kostet. Auch die Unternehmen – und zwar alle – sollen dafür bezahlen.

Markus Späth-Walter, Kantonsrat, SP Fraktionspräsident, Feuerthalen


Die Krankenkassen-Prämienverbilligungs-Sparvorlage – ein veritabler Hürdenlauf

Der Kantonsrat hat gestern während fast drei Stunden über die Kürzung der Individuellen Krankenkassenprämienverbilligung (IPV) diskutiert. Die Regierung beantragte, im Rahmen des Sparpakets 2016 die Prämienverbilligung um 40 Millionen zu kürzen und zwar zu Lasten der Jugendlichen in Ausbildung aus Mittelschichtfamilien. Die Sternzeichen waren alles andere als günstig für dieses Geschäft. Es begann schon bei der Traktandenliste: Ein Antrag, die Beratung der IPV-Vorlage auf eine der nächsten Sitzungen zu verschieben, wurde ganz knapp abgelehnt – eine Zufallsentscheidung, weil es eine ganze Reihe von KantonsrätInnen wegen Schnee und andern Unwägbarkeiten nicht rechtzeitig ins Rathaus geschafft hatten.

Mit dem Scheitern der Verschiebung hatte die IPV-Vorlage aber nur gerade die erste Hürde genommen: Die SP-Fraktion verlangte, auf die Sparvorlage gar nicht einzutreten und sie ohne Diskussion zu erledigen. Die ständig steigenden Gesundheitskosten belasteten die Haushaltsbudgets immer stärker. Die Prämien hätte sich in den letzten Jahren fast verdoppelt, die Prämienverbilligungen aber seien gleichgeblieben und drohten nun sogar zu sinken; das aber sei ein klarer Sozialabbau, der nur durch ein grundsätzliches Nein verhindert werden könne.

Nachdem auch der Nichteintretensantrag keine Mehrheit fand, stand eine nächste formale Hürde im Weg: Die im allerletzten Moment eingereichte Forderung der Grünliberalen, die Vorlage an die Regierung zurückzuweisen. Die Grünliberalen beabsichtigten damit, die Sparvorlage und die parallel vorgesehene Totalrevision des Krankenkassen-Einführungsgesetzes in einem gemeinsamen Paket zu verpacken; sie hofften offensichtlich, dass der Mix von Sparen und sinnvollen Reformen dem Volk besser verkauft werden könnte als eine reine Abbauvorlage. Die GLP stellte die kritischen Fraktionschefs vor heikle taktische Alternativen: Ist eine Volksabstimmung eher zu gewinnen, wenn auf dem Buckel von Jugendlichen in Ausbildung rund 40 Millionen pro Jahr eingespart werden sollen oder eher, wenn das gleiche Ziel im Rahmen einer Gesamtreform der Prämienverbilligung vorgelegt würde. Auch hier entschied die Ratsmehrheit sich für den Antrag der Regierung.

Erst jetzt konnte die Gesetzesänderung auch tatsächlich inhaltlich diskutiert werden. Die meisten Gesundheitsspezialisten hatte da ihr rhetorisches Pulver aber bereits verschossen. Ein einziger Minderheitsantrag gab noch zu reden. Die Einsparungen bei den Jugendlichen sollten nicht zu einem Abbau der Gesamtsumme führen, die für die Prämienverbilligung insgesamt zur Verfügung stehen soll, sondern vielmehr für die wirtschaftlich schwachen Haushalte verwendet werden. Auch dieser (CVP-) Antrag blieb chancenlos. Kurz vor Sitzungsschluss war damit die erste Lesung der IPV-Sparvorlage beendet; sie wird nun noch von der Redaktionskommission überprüft und in rund vier Wochen dem Kantonsrat in zweiter Lesung unterbreitet. Mal schauen, welche zusätzlichen Hürden dann noch auf sie warten …

Markus Späth-Walter, Kantonsrat, Fraktionschef SP, Feuerthalen

Das Weinland verdient eine gute Pflege

Sei es in Pflegeheimen, im Spital oder bei der Spitex: Überall wird vor allem von Freisinnigen ökonomischeres Arbeiten gefordert. Im Bereich der Pflege ist das widersinnig: Kranke, ältere oder behinderte Menschen können nicht beschleunigt werden. Effizienzsteigerung geht praktisch immer zu Lasten von PatientInnen.

Die kürzlich vorgebrachte Kritik gegenüber dem Pflegeheim Marthalen ist keine Ausnahme, sondern symptomatisch für unsere Zeit: Extrem hohe Fluktuation in Pflegeberufen, temporär und unqualifizierte Angestellte müssen herhalten als kostengünstiger, aber aus fachlicher Sicht ungenügender Ersatz; vertiefte Informationen über PatientInnen und über Abläufe gehen verloren; die Expertise des Fachpersonals wird bei wichtigen Entscheidungen selten berücksichtigt. Im Endeffekt kann das Personal Betroffene nicht ausreichend einschätzen und somit nicht angemessen pflegen.

Die Diskussion um die Privatisierung des Kantonsspital Winterthur geht bald in die letzte Runde. Auch hier soll wirtschaftlicher gearbeitet, mehr Gewinn erzielt werden. In manchen Abteilungen mag das einleuchten. Erfahrungsgemäss führt reines Profitdenken aber dazu, dass unsere Grundversorgung zugunsten von weniger wichtigen, aber gewinnbringenderen Bereichen vernachlässigt wird.

Auch von der Weinländer Spitex wird immer mehr verlangt, dass jeder berappbare Arbeitsschritt dokumentiert wird. Nur: Dienstleistungen, die für die Gesundheit der betreuten Menschen wichtig sind – ein Gespräch über die Befindlichkeit, die reine Präsenz der Pflegenden – können nicht abgerechnet werden.

Etwas polemisch gesagt: Für Menschlichkeit ist kein Platz mehr.

Wir alle werden im Laufe unseres Lebens gute Betreuung brauchen; sei es als selbst Betroffene oder Angehörige. Unbezahlte und bezahlte Betreuung für Kinder und Erwachsene – kurz Care-Arbeit – ist in unserer Gesellschaft unzureichend anerkannt. Das ist umso erstaunlicher, als diese Art von Arbeit unverzichtbar ist und mit der steigenden Lebenserwartung immer wichtiger wird.

In einem Land wie der Schweiz muss es möglich sein, eine würdige Betreuung für kranke, ältere oder behinderte Menschen zu ermöglichen. Politik, Verwaltungsräte und Leitungen müssen genügend Ressourcen für qualifiziertes Fachpersonal zur Verfügung stellen. Privatisierungen und Sparmassnahmen im Pflegebereich sind in jedem Fall kurzsichtig und schaden schlussendlich allen.

Dominique Späth, Feuerthalen

Wer Nationalismus sät, wird Instabilität und Konflikte ernten

Kantonsratskolumne für Dienstag, 28. 6. 2016

Der Austrittsentscheid Grossbritanniens aus der EU war am Montag auch ein Thema im Zürcher Kantonsrat. Ich präsentierte für die SP vor der Pause eine Fraktionserklärung, welche von einigen SVP-Parlamentariern anfänglich mit unüberhörbarem Triumph-Gejohle quittiert wurde. Es wurde dann aber bald wieder ruhig im Saale und ich konnte die Erklärung ohne weitere Störung vortragen.

Es ging uns darum zu betonen, dass die Europäische Union und ihre Vorgängerorganisationen Europa seit mehr als 60 Jahren die längste Friedensperiode seiner Geschichte geschenkt haben und dass diese Leistung höchste Wertschätzung verdiene. Die EU ist kein undemokratisches Bürokratiemonster. Gerade die Brexit-Abstimmung beweist das Gegenteil. Die Briten konnten gestützt auf Artikel 50 des Lissaboner Bündnisvertrag ihr demokratisches Recht wahrnehmen und über den Austritt abstimmen. Das ist selbst in den demokratischsten Verfassungen der Welt nirgends sonst vorgesehen.

Das Ergebnis der britischen Abstimmung ist selbstverständlich zu respektieren. Trotzdem muss es uns nachdenklich stimmen: Nicht nur in England – in vielen europäischen Staaten nehmen offensichtlich wachsende Teile der Bevölkerung die EU nicht mehr als Friedensprojekt wahr, sondern als Bedrohung: Globalisierungsverlierer, stagnierende Mittelschichten, Jugendliche ohne wirtschaftliche Perspektive und verunsicherte RentnerInnen lassen sich mit billigen populistischen und fremdenfeindlichen Parolen verführen. Personenfreizügigkeit ohne Schutz der Arbeitsplätze, Löhne und Renten machen sie anfällig für trügerische Lösungen auf dem Buckel der Schwächsten der Gesellschaft.

Die Antwort liegt auf der Hand: Sichere Arbeitsplätze, Einkommen, die zum Leben reichen, und Vertrauen in eine funktionierende Altersvorsorge sind unverzichtbare Grundwerte. Sie allein ermöglichen Solidarität und übernationale Kooperation. Die EU hat nur dann eine Zukunft, wenn es nach dem Brexit gelingt, die bisherige einseitige wirtschaftliche Liberalisierung mit sozialen Werte und Ziele zu flankieren. Das gilt im Übrigen auch für unser Land und für den Kanton Zürich. Fremdenfeindlichkeit und Abschottung werden auch bei uns wachsen, wenn Lohndumping und unfaire Arbeitsbedingungen nicht konsequent bekämpft werden. Gerade im Kanton Zürich haben wir da die Hausaufgaben alles andere als gründlich gemacht.

Ohne eine grundsätzlich Umbesinnung wird der Austritt Grossbritanniens die Sicherheit und den Wohlstand des ganzen Kontinents gefährden und die auseinanderstrebenden Kräfte in der Europäischen Union stärken. Das aber ist keine gute Perspektive. Wer Nationalismus sät, wird Instabilität und Konflikte ernten – zum Schaden Europas, der Schweiz und des Kantons Zürich.

Die grösste Überraschung erlebte ich dann nach der Pause, als mir einer der vehementesten EU-Gegner im Rat einen wunderbaren Strauss langstieliger roter (!) Rosen überreichte. Offenbar hat ihn die Fraktionserklärung tief beeindruckt; vielleicht wollte er uns aber auch nur trösten – so klar wurde das nicht … Es war jedenfalls eine Geste, die viel über den Umgang im Rat verrät. Wir sind hart in der Sache, immer mal wieder für eine Überraschung gut, begegnen uns aber (meistens) mit Respekt und nicht ganz ohne Sympathie – über alle Parteigräben hinweg.

Markus Späth-Walter, Kantonsrat SP, Fraktionspräsident, Feuerthalen

Ja zu ausgewogenen, effizienten und fairen Asylverfahren 2

Zur Abstimmung über das Asylreferendum

Unerträglich lange werden heute AsylbewerberInnen in der Schweiz im Ungewissen gelassen. Es dauert drei bis fünf Jahre, bis über ein Asylgesuch endgültig entschieden ist. In dieser Zeit vegetieren die Flüchtlinge ohne Tagesstruktur, ohne ernsthafte Integrationschancen und Beschäftigungsmöglichkeiten. Das ist unwürdig und unsinnig.

Die Aylgesetzrevision will hier Abhilfe schaffen. Die Verfahren werden massiv beschleunigt. Innert drei Monaten soll künftig im Regelfall entschieden werden; selbst komplizierte Verfahren werden künftig nicht mehr als ein halbes Jahr beanspruchen. Die AsylbewerberInnen werden während des laufenden Verfahrens in den neuen Bundeszentren untergebracht und nicht auf die Kantone verteilt. Sie können dort besser betreut und unterrichtet werden und stehen für alle nötigen Abklärungen direkt zur Verfügung. Die Rekursfristen werden deutlich verkürzt. Damit diese Massnahme nicht die Rechtssicherheit der Betroffenen gefährdet, wurde im Gesetz zwingend Beratung und ein Rechtbeistand verankert. 

Rasche Verfahren, Integration von Anfang an und Arbeit für möglichst viele anerkannte Flüchtlinge und vorsorglich Aufgenommene sind echte Problemlösungen. Abschottung, Soldaten an der Grenze und Stacheldraht gaukeln dagegen Sicherheit nur vor – sie helfen niemandem. Die menschliche und rechtliche Verpflichtung, an Leib und Leben bedrohten Flüchtlingen Asyl zu geben, ist für uns nicht verhandelbar. Dafür müssen sie aber zuerst einmal in der Schweiz ein Asylgesuch stellen dürfen. 

Markus Späth-Walter, Kantonsrat, Sozialreferent Feuerthalen